Zum Inhalt springen

Erstmals Verleihung des „Internationalen Pforzheimer Friedenspreises“

Ben Salomo erhält Auszeichnung

Preisträger Ben Salomo im Gespräch mit Moderator Christoph Giesa im Rahmen der Woche der Brüderlichkeit 2020 Bild: Doro Treut-Amar

In diesem Jahr wird erstmals der „Internationale Pforzheimer Friedenspreis“ verliehen. Preisträger ist der Musiker Ben Salomo aus Berlin, der für seinen vorbildlichen Einsatz für Zivilcourage und Friedensarbeit geehrt wird. Bei der Auswahl des Preisträgers ist der Pforzheimer Gemeinderat einem Vorschlag der Jury des „Internationalen Pforzheimer Friedenspreises“ gefolgt und hat gleichzeitig beschlossen, die Auszeichnung in einem fünfjährigen Rhythmus zu vergeben. Die Idee, einen „Internationalen Pforzheimer Friedenspreis“ ins Leben zu rufen, hat das „Bündnis Pforzheim nazifrei“ anlässlich des 75. Jahrestags der Zerstörung Pforzheim am 23. Februar entwickelt.

„Wir freuen uns, dass es gelungen ist, einen würdigen Preisträger zu ernennen“, sagt Oberbürgermeister Peter Boch. Mit der Jury des „Internationalen Pforzheimer Friedenspreises“ sei er sich einig, dass dieser Preis „ein sichtbares Zeichen setzt, welches 75 Jahre nach Ende des 2. Weltkrieges in der Tradition des Humanisten Johannes Reuchlin steht und damit Weltoffenheit und Toleranz würdigt“. Sein Dank gelte daher der Jury, aber auch allen in ihr vertretenen Institutionen sowie dem Gemeinderat für ihr Engagement. „Wir haben in einem intensiven Verfahren aus 15 Vorschlägen den Preisträger ausgewählt“, sagen die Mitglieder der Jury. Dabei war ihr besonders wichtig, „dass der Friedenspreis nachhaltig und wegweisend für die Zukunft ist. Er soll weit über Pforzheim hinaus strahlen und den internationalen Zusammenhang unserer Stadt sichtbar machen.“

Mit dem Preis werden Persönlichkeiten oder Organisationen ausgezeichnet, die sich dafür eingesetzt haben, Konflikte mit friedlichen Mitteln zu lösen oder nach gewalttätigen Auseinandersetzungen einen Beitrag zur Aussöhnung unter den beteiligten Parteien geleistet zu haben. Ausgezeichnet werden können auch wissenschaftliche Arbeiten zur Förderung des friedlichen Zusammenlebens oder vorbildliche Projekte, in unterschiedlichen Formen; preiswürdig sind auch Einzelbeiträge zur Förderung des friedlichen Miteinanders von Menschen.

Die Vergabeempfehlung 2020 wurde durch eine Fachjury ausgewählt, die sich aus Persönlichkeiten der Pforzheimer Bürgerschaft zusammensetzte: Als Vertretung des Rates der Religionen Pforzheim Hasan Akbaba;  als Vertretung der Jüdischen Gemeinde Pforzheim Rami Suliman, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinden in Baden; als Vertretung des Bündnisses „Pforzheim nazifrei“ Bündnissprecher Gerhard Baral; als Vertretung des Pforzheimer Kulturrates e.V. Christine Müh; als Vertretung der Pforzheimer Bildungseinrichtungen Edith Drescher, Rektorin des Hilda-Gymnasiums Pforzheim und Geschäftsführende Schulleiterin der Pforzheimer Gymnasien; als Vertretung der Pforzheimer Persönlichkeiten Dekan i. R. Hans-Martin Schäfer; als Vertretung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer DGB- Landesvorsitzender Martin Kunzmann; als Vertretung der Pforzheimer Unternehmer, Mark Stephen Pace, stellvertretender Präsident der IHK Nordschwarzwald und Geschäftsführer des Dentalunternehmens Dentaurum GmbH & Co. KG.

Der Preis wird in Form eines von Studentinnen der Fakultät für Gestaltung, unter Leitung von Prof. Christine Lüdeke, gestalteten Preis übergeben. Die Auszeichnung ist verbunden mit einem Preisgeld von 5.000 Euro. Finanziert wurden der Sachpreis und das Preisgeld durch Spenden aus der Bürgerschaft.

Verliehen wird der Preis um den 9. November, der von Historikern als deutscher Schicksalstag bezeichnet wird. An diesem Datum fanden 1938 die Novemberpogrome des NS- Regime gegen die deutschen Juden statt, es ist aber auch der Tag des Mauerfalls im Jahr 1989. Die Verleihung ist  für Samstag, 7. November 2020, um 17 Uhr geplant.

Der Preisträger: Ben Salomo, bürgerlich Jonathan Kalmanovich

www.bensalomo.de

Jonathan Kalmanovich wurde 1977 in der israelischen Stadt Rechovot geboren. Im Alter von vier Jahren siedelte er gemeinsam mit seinen Eltern in das damalige West-Berlin um. Hier hielt er Kontakt zur Jüdischen Gemeinde und wuchs zugleich unter arabischen und türkischen Migranten auf. 1997 begann er Hip-Hop-Musik zu machen. Er baute in Berlin die größte Battle-Rap-Bühne Deutschlands auf, deren Veranstaltungsformat „Rap am Mittwoch“ acht Jahre lang auf Youtube übertragen wurde und überaus erfolgreich war. Aber im Mai 2018 gab er das Musikformat wegen der starken antisemitischen Tendenzen in der Deutschrap-Szene auf. Er engagiert sich seither gegen Antisemitismus in der Gesellschaft und gegen jede Form von Rassismus und Diskriminierung. In Workshops will er mit Jugendlichen und Erwachsenen Wege finden, „um eigenen Gefühlen Sprache zu geben, Konflikte zu überwinden [...] und die richtigen Worte zu finden.“ (http://www.bensalomo.de/workshops.html)

Bei der bundesweiten Kampagne #ClapForCrap der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit spricht er vor Schülerinnen und Schülern, um sie für die rassistische und gewaltverherrlichende Sprache in der Musikszene, aber auch den Alltagsrassismus in der übrigen Gesellschaft zu sensibilisieren Er beleuchtet dazu die historischen Hintergrunde des Antisemitismus und seine aktuellen Erscheinungsformen.

Für sein Engagement gegen Rassismus und Antisemitismus wurde ihm 2018 das Robert-Goldmann-Stipendium verliehen. 2019 erschien seine Autobiografie „Ben Salomo bedeutet Sohn des Friedens“.

Aus der Begründung der Jury

Die deutsche Hip-Hop-Szene fiel und fällt immer wieder durch gewaltverherrlichende, homophobe und frauenverachtende Aussagen auf. Einer breiten Öffentlichkeit wurde dies bei der Verleihung des „Echo 2018“ bewusst. Jonathan Kalmanovich hat seine berufliche Sicherheit als Szene-Musiker mit eigenem Sendeformat aufgegeben, um mit einem klaren Bekenntnis zum Judentum seinen Beitrag zu einer offenen, freien und friedlichen Gesellschaft zu leisten.

Im November 2019 besuchte er im Rahmen von #ClapForCrap das Hilda-Gymnasium Pforzheim und sprach vor rund 400 Schülerinnen und Schülern über seine persönlichen Erfahrungen mit Judenhass, Stereotypen und Verschwörungstheorien und formulierte eindringlich seine Warnung vor dem neuen Antisemitismus. „Wenn Israelhass, Sozialneid und antisemitische Ressentiments Hochzeit feiern, ist das Ergebnis verheerend.“ In sehr authentischer Weise beschrieb er seine Vorstellungen von einer friedlichen und vielfältigen Gesellschaft. Wie gut Jonathan Kalmanovich die Lebenswelt und die Sprache der Jugendlichen kennt, zeigte sich sehr deutlich an deren Reaktionen während und nach der Veranstaltung. Er hatte einen unmittelbaren Zugang zu ihnen gefunden und große Nachdenklichkeit sowie wichtige Diskussionen ausgelöst.

Öffentliche Personen wie er sind von großer Bedeutung für die jungen Menschen in unserer Gesellschaft, die sich nicht selten an den falschen Vorbildern orientieren. In seinem Song „Identität“ rappt er: „Reimt ein Jude von der Straße / Jahrzehnte nach dem Holocaust in deutscher Sprache. Ganz gleich, wie viele Leute starben, / wenn Menschen Traume haben, können sie auf verbrannter Erde Bäume pflanzen.“

Jonathan Kalmanovich kann als vorbildhaft für Zivilcourage und Friedensarbeit gesehen werden und ist daher in den Augen der Jury ein besonders würdiger Träger eines Internationalen Pforzheimer Friedenspreises.